Die Schuldenreform ist beschlossen: Deutschland macht wieder Schulden: Aber was sagt der antike Philosoph Aristoteles zu Schulden, Geld und Zinsen?

Geld allein macht nicht glücklich

Aristoteles (der selbst reich war), hat gesagt, dass Geld ein Mittel zum Zweck ist. Geld selbst ist Nichts, aber mit Hilfe des Geldes können wir etwas kaufen, das etwas wert ist. Zum Beispiel: stabile Brücken, eine pünktliche Bahn oder Panzer. Wir tauschen Geld, weil Panzer, Brücken und Bahn uns wichtiger erscheinen.

Warum?

Weil diese Sachen Gefühle mit sich bringen, die wir schätzen. Eine pünktliche Bahn bietet Komfort, stabile Brücken Verlässlichkeit und Panzer Sicherheit. Ultimativ versprechen diese Gefühle, uns glücklich zu machen.

Und das ist laut Aristoteles das „Endziel“: Glücklich sein. Glück heißt bei Aristoteles nicht Lust oder kurzfristige Freude, sondern das langfristige und andauernde Gelingen des Lebens. Wir übersetzen diese Idee des Glücks meistens mit Glückseligkeit oder Zufriedenheit. Zu Griechisch: eudaimonia.

Geld macht also nicht glücklich – aber es kann ein Mittel zum Zweck sein, um glücklich zu werden. Das heißt aber: Wir brauchen nur so viel Geld, wie notwendig ist, um ein gutes Leben zu erlangen. Geld hat nur in dem Rahmen einen wert, in dem es uns zu diesem guten Leben verhilft. Alles darüber hinaus ist zwecklos. Glück setzt dem Geld also Grenzen.

Man merke: Für die Schuldenreform gilt, erstens: Mehr Geld ist nicht unbedingt besser. Es kommt darauf an, was wir mit diesem Geld machen.

Zu viel Geld ist schlecht

Was passiert, wenn wir das Glück aus den Augen verlieren und stattdessen dem Geld selbst Wert beimessen? Aristoteles schildert eine dystopische Gesellschaft. Die Menschen, die Geld nicht als Mittel zum Zweck, sondern als Zweck selbst, verstehen, werden nicht glücklich. Im Gegenteil: Für diese Menschen ist jedes Maß verloren gegangen. Die Menschen haben das Glück, das dem Geld einen gesunden Rahmen gibt, aus den Augen verloren. Stattdessen verfallen sie in grenzenlose Gier. Blind streben sie nach mehr und mehr Geld, ohne zu hinterfragen: Wozu brauche ich dieses Geld eigentlich und macht mich das, was ich damit kaufen könnte überhaupt glücklich? In dieser Dystopie wird Geld nicht genutzt, um etwas zu kaufen. Geld wird gehortet. Es bleibt ein nicht-eingelöstes Versprechen.

Man merke: Für die Schuldenreform gilt, zweitens: Geld haben bringt nichts, man muss Geld ausgeben.

Über Zinsen

Die Schuldenreform bedeutet nicht, dass mehr Geld da ist, sondern dass Deutschland höhere Schulden aufnimmt. Und Schulden müssen irgendwann zurückgezahlt werden, mitsamt Zinsen. Aristoteles Meinung hierzu ist klar: Schulden und Zinsen sind schlecht.

Geld, so hat Aristoteles argumentiert, ist ein totes Ding. Und ein totes Ding, kann sich nicht aus sich selbst heraus vermehren. Doch genau das geschieht, wenn ein Schuldner Zinsen verlangt. Wer Geld verleiht, verdient aus Geld mehr Geld. Das, so Aristotes, sei gegen die Natur.

Geld ist ein Tauschwerkzeug, niemals solle es sich selbst vermehren.

Aristoteles wortwörtlich: „Und diese Art von Erwerbskunst ist denn hiernach die widernatürlichste von allen.“

Man merke: Für die Schuldenreform gilt, drittens: Schulden und Zinsen widersprechen dem Sinn von Geld als Tauschwerkzeug. Sie sind insofern nicht erstrebenswert.

Was tun?

Wir sind in einer Zwickmühle: Geld kann als Mittel zum Zweck zu einem guten Leben beitragen – zum Beispiel indem wir uns für Geld gute Brücken oder eine pünktliche Bahn kaufen. Aber Schulden aufnehmen, um dieses Geld zur Verfügung zu haben, ist laut Aristoteles wider die Sache des Geldes.

Was also tun?

Zwei Beispiele als Inspiration:

Lykurg war ein spartanischer Staatsmann. Heute nehmen wir an, dass Lykurg eine mythische Gestalt war und nicht gelebt hat. Nichtsdestotrotz, seine überlieferten Maßnahmen im Zusammenhang der Geld-Politik sind inspirierend: Damals gab es bereits Gold- und Silbermünzen und die Menschen hatten angefangen, dem Geld an sich einen Wert beizumessen. Anstatt es als Tauschwert einzusetzen, wollten sie das Geld selbst behalten. Aber das lähmte die spartanische Wirtschaft. Die Menschen waren geizig und gleichzeitig arm.

Um dem entgegenzuwirken, griff Lykurg zu einer drastischen Maßnahme. Er ersetzte die überdauernden Goldmünzen durch Eisengeld. Anders als Gold, ist Eisen unbeständig: Wenn man es zu lange im Sparschwein hütet, beginnt es zu rosten und verliert an Wert. So wurden die Menschen angestachelt, ihr Geld auszugeben. Wer keinen Grund hatte, selbst etwas zu kaufen, der verlieh das Geld. Denn was nützt es, meinem Geld beim Rosten zuzuschauen?! Es ist besser, wenn mein Nachbar sich eine Kuh kaufen kann.

Ein zweiter Weiser, von dem wir nicht sicher wissen, ob er existiert hat, ist Solon. Die überlieferten Schriften von ihm werden heute teilweise Aristoteles zugesprochen. Vielleicht hat er selbst also nie etwas geschrieben – oder sogar nie existiert. Nichtsdestotrotz, ihm wird eine Staatsreform sondergleichen zugeschrieben:

Solon wurde als Schlichter zwischen den Kleinbauern und den reichen Aristokraten in Athen einberufen. Die Kleinbauern darbten nämlich in einer Schuldenkrise gegenüber der herrschenden Klasse: Alles, was die Bauern erwirtschafteten, mussten sie abgeben. Doch das war nur genug, um den Zins zu tilgen. So wurde der Schuldenberg nie kleiner und die Bauern wurden schließlich in die „Schuldensklaverei“ überführt.

Solon unterbrach diesen schrecklichen Kreislauf: Er verbot, dass ein Mann, der seine Schulden nicht mehr zahlen kann, in die Sklaverei überführt werden darf. Außerdem vollzog er einen Schuldenschnitt: Die Schulden der Bauern wurden ersatzlos gestrichen.

So befreite er das Volk, befriedete die Gesellschaft und stieß eine gesellschaftspolitische Reform an: das Recht des Stärkeren wurde durch eine demokratische Verfassung ersetzt. Diese Verfassung wurde – ebenfalls ein Novum – schriftlich festgehalten und mündlich weitergetragen, damit jeder sich seiner Rechte bewusst sei und darauf berufen könne.

Und heute?

Bundestag und Bundesrat haben der Schuldenreform zugestimmt: 500 Milliarden Euro Schulden für Infrastruktur, 100 Milliarden davon fürs Klima, gestreckt über einen Zeitraum von 12 Jahren. Und unbegrenzte Schulden für die Bundeswehr und die deutsche Verteidigung.

Ist das jetzt gut oder schlecht?

Was wir aus der antiken Philosophie und Mythologie lernen können ist klar: Einerseits: Es kommt immer darauf an, wofür und wie Geld eingesetzt wird. Andererseits: Radikale Lösungen wie die von Lykurg oder Solon können gravierende gesellschaftliche Veränderungen anstoßen, die letztlich zu einem glücklicheren Leben führen (können).