
Die griechischen Mythen haben auf der ganzen Welt Spuren hinterlassen – auch in Lissabon. Lissabon ist die Hauptstadt Portugals und einer der ältesten Städte Europas. Ihr Gründungsvater – so besagt der Mythos – war ein griechischer Held! Könnt ihr erraten, um wen es geht?
Vor 1.200 Jahren war dort, wo heute Lissabon liegt, nichts weiter als ein paar Hügel am Fluss Tajo. Der Tajo ist der größte Fluss der Iberischen Halbinsel und führte schon damals viel „Durchgangsverkehr“. Wer vom atlantischen Ozean landeinwärts segelte, fand hier den ersten Flecken friedlichen Landes nach den Weiten des Ozeans. Es ist also keine Überraschung, dass sich eines Tages ein mächtiger Seefahrer hierher verirrte.
Doch dieses Fleckchen Erde war nicht unbewohnt. Hier lebte und herrschte eine magische Königin. Ihr Blick war ein zweischneidiges Schwert: Die Augen funkelten wie Diamanten, doch sie konnte jeden Mann, der es wagte, ihr in diese zu blicken, zu Stein erstarren lassen. Diese Königin kletterte jeden Morgen auf einen der Hügel und rief ins Meer hinaus, den Seemännern ein warmes Bett an ihrer Seite versprechend. Unser Seemann war diesem Lockruf gefolgt. Mit seiner gesamten Mannschaft legte er an – vielleicht genau dort, wo heute der prächtige Praça do Comércio Millionen von Besucher*innen empfängt.
Damals war es nur die Königin, die den Seemann empfang: Mit einem Blick maß sie den Mann, seine edle Gestalt, seine starke und ruhige Haltung. Sie verliebte sich sofort in ihn.
Die Männer durften also bleiben und weiterleben. Sie ließen sich nieder, bekamen Nahrung und unter dem Schutz der Königin gründeten sie eine Stadt, die sie auf den Namen Olisipo tauften – nach dem Gründungsvater und Geliebten der Königin.
Doch dieser Seemann hatte Heimweh: Er sehnte sich nach seiner Frau Penelope und seinem Palast auf Ithaka. Heimlich, in einer Nacht und Nebelaktion, packten die Männer deshalb ihre Güter zusammen, luden Wein und Nahrung an Bord, und stachen bei Sonnenaufgang in See.
Als die Königin bemerkte, dass er aus ihrem Bett entflohen war, schrie sie wutentbrannt auf! Sie rannte auf den Hügel, streckte ihre Arme Richtung Meer aus und rief ihm hinterher. Doch der Zauber der Königin konnte sie nicht mehr zurückholen. Die Königin, von Liebeskummer gequält, erstarrte zu Stein. Ihr Körper formte den siebten Hügel dieser Stadt, die eines Tages Lissabon werden sollte. Die Seemänner aber hatten das offene Meer erreicht, wo zahlreiche Abenteuer lauerten.
Sicher habt ihr inzwischen erraten, wer unser tapferer griechischer Seemann war. Der Frauenheld und Viel-Segler, der immer Heimweh hat? Natürlich: Odysseus! Er gab der Stadt seinen Namen, Olisipo, aus dem schließlich Lisboa wurde (Lissabon auf portugiesisch).
Historischer Ablauf
Historisch gesehen spricht einiges gegen den Mythos. Vor allem haben archäologische Funde gezeigt, dass nicht Odysseus der erste war, der Fuß auf das Land gesetzt hat, sondern bereits Siedlungen der Phönizier vorhanden waren, die rund um 1.200 erste Siedlungen in Portugal erbaut hatten.
Es ist aber typisch für die römisch-griechische Invasions-Politik, Städte nicht nur militärisch einzunehmen, sondern auch hauseigene Gründungsmythen zu erfinden, um den Anspruch zu untermalen: So nahmen die Römer um 205 v. Chr. nicht nur mit Waffengewalt ein, sondern erhoben auch kulturellen Anspruch auf die Stadt „Olisipo“.
Mit dem Verfall des römischen Reiches bröckelte auch die Herrschaft über Lissabon. Schließlich übernahmen 719 n. Chr. die Mauren die Herrschaft über die Stadt, bis sie 1147 von den Portugiesen zurückerobert und zur mannigfaltigen Handelsstadt ausgebaut wird.
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