
Wir leben in einer Zeit, in der immer häufiger die Frage auftaucht: Ist das noch Demokratie, oder schon Tyrannei in Kinderschuhen? So hieß es in der Satire-Show vom 21.03.2025 zu den USA: „Intern sprechen wir von einer Baby-Autokratie. Ist immer ein besonderes Moment, wenn so eine kleine Autokratie ihre ersten Schritte macht.“
Auch die Griechen wurden jahrhundertelang von tyrannischen Autokraten regiert und haben sich viel mit der Herrscherfigur auseinandergesetzt. Sie beschreiben: In einer Tyrannei erheben sich Selbstüberschätzung wie eine Mauer zwischen Herrscher und Volk. Von Übermut verführt beginnt der Herrscher, seine Partner mit Überheblichkeit zu behandeln, mit Verachtung und schließlich mit Hass.
Auf der Theaterbühne wurden die grausamen Herrschaftsfiguren gern und farbenfroh skizziert: Hochmütig, ängstlich, mit mangelhafter Selbstbeherrschung und immenser Besitzgier. Ein Paradebeispiel ist die Figur Aigisthos.
Aigisthios Weg zur Herrschaft über Mykene durchzieht eine Blutspur. Im Fokus der Tragödie steht aber nicht die Grausamkeit des Herrschers gegenüber seinem Volk, sondern die Tragödie seiner eigenen Familie. Aigisthios ist ein Mann, der sich mit dem Schwert eine Schneise schlägt durch den eigenen Stammbaum. Und das Blutbad begann früh:
Grausame Geburt
Diese Geschichte beginnt eine Generation früher: Mit Thyestes. Dieser Mann war von seinem Bruder vom Thron vertrieben worden. Machtlos und eifersüchtig begann er eine Affäre mit der Ehefrau seines Bruders. Doch was als Rache gedacht war, entspann sich zu einer Liebesbeziehung. Die beiden liebten sich jahrelang heimlich, und aus dieser Verbindung gingen drei Kinder hervor: Zwei Söhne und eine Tochter. Thyestes zog die Kinder als seine eigenen auf und liebte sie auch.
Doch eines Tages entdeckte sein Bruder die Affäre. Er erkannte, dass die Kinder, die er als Neffen anerkannt hatte, die unehelichen Kinder seiner Frau waren – die Kinder einer Affäre und eines großen Betrugs! Er geriet in Rage und setzte an, die beiden Söhne – Kinder noch – zu töten! Ihr Vater Thyestes kam zu spät um sie zu retten. Der Mord war bereits vollzogen. Als Thyestes erkannte, dass sein Bruder auf Rache aus war, ergriff ihn die Furcht. Er packte seine kleine Tochter und floh. Die Frau, die er geliebt hatte, ließ er zurück. Sie wurde vom Gatten erschlagen.
Thyestes aber gelang die Flucht. Gemeinsam mit seiner Tochter Palopeia fand er bei einem anderen König Obhut. Hier vegetierte er vor sich hin, erfüllt von Rachegelüst über den Tod seiner Söhne und Geliebten. Doch schon bald mischte sich unter die Rachegedanken auch ein anderes Gefühl: Seine wunderschöne Tochter, Palopeia, war zum Ebenbild ihrer Mutter herangewachsen. Thyestes konnte sich dem nicht entziehen. Er vergewaltigte seine Tochter.
Als offenbar wurde, dass sie schwanger war, ergriff der Vater erneut die Flucht und ließ Palopeia allein zurück. Das Kind, das aus dieser gewaltvollen Beziehung hervorging, war Aigisthios.
… Fortsetzung folgt nächste Woche!
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