
Pünktlich zur Zeitumstellung widmen wir uns der Mythologie der Zeit. Die alten Griechen verehrten drei Arten der Zeit: Chronos, Kairos und Äon. Wer von den dreien hat heute Nacht an der Uhr gedreht?
Chronos – das ordentliche Ticken
Chronos ist die göttliche Personifizierung der Zeit und der Beginn unserer Welt. Vor Zeus und den anderen olympischen Göttern existierte Chronos im Universum. Wie der physikalische Urknall hat Chronos den Aufschlag für den Beginn alles Seins gemacht.
Der Gott steht dabei für das gleichmäßige Verstreichen der Zeit. Er ist das Ticken des Sekundenzeigers und das fallende Korn in der Sanduhr. Er ist Namensvetter für das Chronometer, ein edler Begriff für unsere heutigen Uhren. Heute wird Chronos als Sinnbild für unsere wohlorganisierten, durchgetakteten Leben verwendet. Er ist die Schulglocke, die am Ende der Stunde schrillt, er ist die Stempelkarte, die den Feierabend verspricht, und er ist der Grund, warum wir die Uhren diese Nacht eine Stunde zurückgedreht haben.
Kairos – der günstige Augenblick
Dem entgegen steht Kairos. Der jüngste Sohn des Zeus repräsentiert den Augenblick. Während Chronos für die Quantität der Zeit steht, steht Kairos für deren Qualität. Kairos ist der Gott des wertvollen Moments. Ausgestattet mit Flügeln und wehendem Haar symbolisiert er die Flüchtigkeit des Augenblicks und seine Kostbarkeit.
Äon – die Lebensspanne
Äon schließlich ist der abstrakteste der drei Götter. Er ist der Sohn des Chronos und steht für die individuelle Lebensspanne, die jedem Menschen geschenkt ist. Er umschreibt also weder den Moment noch eine messbare Einheit, sondern viel eher das Leben selbst, dass sich über die Zeit erstreckt. Äon ist vor allem ein philosophisches Konzept. Er wird kaum als eigene Gottheit verehrt.
Zeitumstellung
Jedes Jahr werden die Uhren umgestellt – im Herbst eine Stunde zurück, im Frühjahr eine Stunde voraus. Alle Jahre wieder ist die Empörung darüber groß: Das Risiko für Herzinfarkte steigt, weil der innere Zeitrhythmus über den Haufen geworfen wird. Fahrpläne müssen geändert werden, die Wirtschaft stöhnt, etc. etc. etc.
Offensichtlich ist die Zeitumstellung ein Produkt des Chronos: Er steht für die enge und präzise Taktung des Lebens, für das Bemessen und zu Eigen machen der Zeit. Aber wir können die „geschenkte“ Stunde stattdessen Kairos widmen – und den Moment genießen.
sehr schöner Text.