Die Leier ist nicht nur Musikinstrument, sondern auch Sternbild. Klein, aber markant, kann man die Leier im Sommer gut erkennen. Ihr hellster Stern Wega leuchtet zwischen Juni und September in der Zeit nach Sonnenuntergang als erstes am Himmelszelt auf

Tod der Schildkröte

Erfunden wurde die Leier von Hermes. Der Gott wuchs auf der Erde auf und hatte allerlei Tiere als Spielfreunde, darunter auch eine prächtige Landschildkröte. Aber der Hermes kannte seine eigenen, übermächtigen Fähigkeiten schlecht und so kam es, dass er die Schildkröte im Spiel tötete.

Der junge Gott war darüber nicht schockiert, denn als Gott schreckte ihn der Tod nicht. Aber er war fasziniert von dem schimmernden Panzer der Landschildkröte. Deshalb reinigte er den Panzer, bohrte Löcher in den Rand und zog sieben Saiten hindurch. Er spannte die Seiten, so dass ein Ton erklang, wenn man daran zupfte. Der ausgehüllte Schildkrötenkörper resonierte den Klang und so entstand ein ungewöhnliches und neuartiges Instrument: Die Leier.

Diebstahl der Rinder

Hermes war ein ungestümes Kind. In seinem Übermut klaute er einmal eine ganze Rinderherde. Er führte die prachtvollen Tiere unter der Nase ihrer Hüter davon auf ein anderes Feld. Hier lies er die Rinder grasen, als wären es seine eigenen.

Hermes wusste, dass es sich um eine besondere Herde handelte: Es waren die Tiere seines Halbbruders Apollon. Aber gerade diese Dreistigkeit des Diebstahls hatte den jungen Gott gelockt.
Und natürlich erkannte Apollon bald, dass seine Tiere gestohlen und Hermes der Dieb war. Schnaubend vor Wut klagte Apollon seinen kleinen Bruder vorm Vater Zeus an. Zeus, der mächtige Göttervater, lachte nur über den Schabernack. Aber er sah ein, dass Hermes büßen müsse.

Hermes schlug seinem Musikvernarrten Bruder stattdessen einen Handel vor: Er wolle die Rinder behalten, Apollon solle dafür die Leier bekommen. Geschickt spielte Hermes einige Töne auf dem prachtvollen Instrument und Apollon war sofort einverstanden.

Tor in die Unterwelt

Apollon schenkte die Leier seinem Sohn Orpheus. Der war nicht nur Dichter, Arzt und Schriftsteller, sondern allem voran ein begnadeter Musiker. Er entlockte der Leier eine ungekannte Schönheit, so dass ihm alle Frauenherzen zuflogen. Orpheus erwiderte nur die Liebe der einen: Der schönen Eurydike.

Die beiden heirateten, doch noch am Hochzeitsabend wurde Eurydike von einer Schlange gebissen und starb. Orpheus beschloss, seiner Geliebten in die Unterwelt zu folgen. Mit seinem himmlischen Musikspiel becircte er die Totenwelt, so dass Hades einverstanden war, Eurydike frei zu geben – unter zwei Bedingungen: Orpheus solle bei dem Aufstieg zurück ins Reich der Lebenden fortwährend auf der Leier spielen und er dürfe sich nicht nach Eurydike umdrehen, bis sie wieder unter den Lebenden sind.

Orpheus spielte ein glückliches Lied, voller Zuversicht auf das baldige Wiedersehen mit seiner Geliebten. Doch unter den himmlischen Tönen konnte er ihren Schritt nicht hören und machte sich Sorgen, dass er zu schnell hinaufstieg. Er drehte sich also um und wollte der Geliebten die helfende Hand reichen – da verschwand Eurydike im Nebel der Unterwelt.

Der letzte Klang

Todunglücklich erreichte Orpheus die Welt der Lebenden. Seine Geliebte Eurydike war nun für immer unerreichbar. Orpheus stimmte ein Trauerlied an, das so unendliche schön war, dass kaum ein Mensch es ertragen konnte. Die Frauen scharten sich um ihn und warben – doch er wies alle zurück. Ganz versunken in den tiefen Klang seiner Trauer, merkte er nicht, wie sich die Frauen immer weiter reinsteigerten. Schließlich konnten sie den Schmerz nicht mehr ertragen und fielen über Orpheus her. Der Musiker wurde mit Gewalt in Stücke gerissen, denn jede der Furien wollte seiner habhaft werden. So starb Orpheus. Die Frauen, voller Entsetzen über ihre Bluttat, warfen den Leib und die Leier ins Meer.

Als Erinnerung an Orpheus setzte Zeus die Leier an den Himmel.