Jedes Kind, das zwischen dem 21. März und 20. April geboren wird, steht unter dem Schutz des Widders. Über seinen Tod hinaus wurde der Widder im antiken Griechenland als heilig verehrt. Sein goldenes Vlies ist Sinnbild für Frauenpower, aber auch Reichtum, Gier und Kolonialisierung.

Galopp über Wolken

Chrysomeles war ein stolzes, wunderschönes Tier. Der Widder hatte goldenes Fell und konnte fliegen. Seine Hufen trabten über die Wolken, als seien sie aus Moos. Bei einem seiner Läufe über die Wolken lernte er die Wolkenfrau Nephele kennen. Die einsame Frau und das friedliche Tier freundeten sich an und durchstoben gemeinsam den Himmel.

Als Nephele um das Leben ihrer Kinder fürchtete, bat sie deshalb Chrysomeles um Hilfe: Er möge die Kinder der Gefahr entreißen und an einen sicheren Ort bringen. Chrysomeles zögerte nicht und hob die Kinder Helle und Phrixos auf seinen Rücken. Er galoppierte über die Wolken davon und überquerte das schwarze Meer. Doch Helle, das kleine Mädchen, konnte sich nicht länger auf dem Rücken des Tieres halten. Sie stürzte in die Tiefe und versank im Meer. Ihr älterer Bruder Phrixos umklammerte um so fester das goldene Fell des Widders und erreichte unversehrt die Küste von Kolchis.

Das ferne Land

Kolchis war ein wohlhabendes Land, das zur damaligen Zeit von König Aietes regiert wurde. Der König empfang Phrixos mit offenen Armen, sprach jedoch: Wir müssen den Göttern für deine Flucht danken und ihnen ein besonderes Opfer darbringen! Chrysomeles beugte sein behornten Kopf und stupste Phrixos zart an. Der Junge verstand, dass das Tier sich noch einmal bereit erklärte, ihm zu dienen.

So wurde der Widder den Göttern geopfert. Sein goldenes Fell aber wurde abgezogen und in einem Tempel aufgespannt und von einem Drachen bewacht. So wurde das goldene Vlies weit über die Grenzen Kolchis bekannt und als heilig verehrt.

Frauenpower

Bis nach Griechenland reichte der Mythos vom goldenen Vlies. Deshalb machte sich ein Trupp von griechischen Helden auf, um es zu rauben und nach Griechenland zu bringen. Sie tauften sich die „Argonauten“ und reisten über das Meer nach Kolchis, um dort vom König Aietes das Vlies zu verlangen. Dieser aber weigerte sich, den Fremden das Flies zu übergeben. Deshalb spannten die Argonauten einen Plan, um das kostbare Stück zu rauben.

Doch es war schließlich eine Frau, die ihnen dabei half: Medea, die Tochter des Königs. Denn das Vlies wurde von einem schrecklichen Drachen bewacht und kein Mann hatte den Mut, sich diesem Ungeheuer zu stellen. Selbst die Argonauten fürchteten sich vor dem Tier. Es war Medea, die voran ging und sich dem Drachen stellte.

Als das Ungeheuer sie sah, riss es sein Maul auf und brüllte ohrenbetäubend. Es zeigte seine riesigen, messerscharfen Zähne und seinen pechschwarzen, feuerspähenden Rachen. Doch Medea ließ sich nicht beirren und ging dem Ungeheuer mutig entgegen. Die Helden blieben verängstigt zurück. Die Frau aber begann zu singen, und der Drache spitzte die Ohren. Die lieblichen Töne beruhigten das Tier und es schloss seinen Schlund. So konnte sich Medea dem Ungeheuer nähern, und als sie nah genug herangekommen war, streute sie dem Tier einen Zaubertrank in die Augen, dass es in einen tiefen Schlaf fiel. Unbehelligt schlüpfte Medea vorbei und raubte das Vlies.

Gier nach Gold

Die Argonauten flohen, gemeinsam mit Medea und ihrem Raubgut zurück nach Griechenland. Aber wofür stand das kostbare Fell des Chrysomeles wirklich?

Kolchis – heute in Georgien gelegen – war reich an Bodenschätzen. 800 vor Christus lebte das asiatische Volk wohlhaben und unbehelligt. Die Flüsse, die durch das Land ins schwarze Meer mündeten, trugen viel Goldstaub und die Menschen sammelten das Gold, indem sie Schafsfelle ins Wasser hielten. In den Fellen verfing sich der feine Goldstaub und färbte sie golden.

Angelockt von diesen Reichtümern, reisten immer mehr Griechen über das schwarze Meer nach Asien und plünderten die dortigen Städte und Länder. Um diese Zeit herum entstand auch der griechische Mythos der Argonauten. Hier werden die Griechen als Helden gefeiert, obwohl sie in Wahrheit das Land plünderten. So ist der Raub des goldenen Vlies Sinnbild für Kolonialisierung und Ausbeutung.