
Was hat die Schuldenbremse mit Odysseus zu tun? Diese historische Brücke schlägt nicht die Rote Karotte, sondern Mark Schieritz, Finanzexperte und stellvertretender Politikchef der Wochenzeitung ZEIT. Im Podcast „Das Politikteil“, erklärt er die Schuldenbremse in Bezug auf Odysseus und die Sirenen.
Schieritz zeigt damit, was treue Karotten-Leser*innen längst wissen: Die antike Mythologie hat bis heute Bedeutung. Sie mythischen Erzählungen der Vergangenheit helfen, Gegenwart besser zu verstehen. Was also hat Mark Schieritz gesagt?
Sehnsucht der Sirenen
Die Odyssee ist ein Heldenepos von Homer über Odysseus, der sich auf seiner Heimreise nach dem Trojanischen Krieg mit den Göttern anlegt und deshalb immer wieder in die Irre geführt wird. Auf seinem langen Heimweg (zehn Jahre wird es dauern, bis Odysseus seine Heimatinsel Ithaka erreicht) erlebt er zahlreiche Abenteuer. Zum Beispiel die Begegnung mit den Sirenen.
Sirenen haben einen weiblichen Oberkörper, ab der Hüfte einen Fischleib. Sie leben einsam im weiten Reich des Meeres. Und obwohl die Menschen sich vor ihnen scheuen, sehnen sich die Sirenen nach menschlicher Gesellschaft.
Wann immer sie ein Schiff sehen, klettern sie auf einen Felssprung im Meer und beginnen zu singen. Mit ihrem wunderschönen Gesang bitten sie die Seefahrer darum, zu ihnen zu kommen und ihnen Gesellschaft zu leisten. Ihr Lied ist dabei so sehr von Sehnsucht erfüllt, dass es eine gewaltige Zauberkraft entwickelt: Kein Mann kann sich dem Sog entziehen, dem vom Gesang der Sirene ausgehet.
Die Seemänner lassen jede Vorsicht fahren und eilen auf die Sirenen zu. Doch das Gewässer ist nicht sicher. Felsen stechen aus dem Meer hervor, scharfkantig und hart genug, um ein Schiffrumpf auseinander zu reißen. Wenn also die Seemänner fahrlässig dem Gesang folgen, steuern sie ihr Schiff ins Verderben.
Odysseus‘ Trick
Odysseus wusste, wo die Sirene ihre Aufwartungen machen würden. Noch ehe er sein Schiff in die Hörweite ihres becircen Gesangs steuerte, befahl er seinen Seemännern, sich mit Wachs die Ohren zu verstopfen. Er selbst ließ sich am Mast festbinden. Mit dicken Tauen wurde sein Körper umschlungen und so stark gefesselt, dass er sich nicht losmachen konnte.
Derartig vorbereitet segelte das Schiff an den Sirenen vorbei. Die Sirenen sangen von ihrer Sehnsucht und flehten die Männer an, zu ihnen zu kommen. Doch die Seemänner konnten den Gesang nicht hören, ihre Ohren waren fest mit Wachs verstopft. Nur Odysseus hörte das himmlische Lied. Er wurde schier wahnsinnig und schrie seinen Männern zu, sie mögen ihn los machen, er müsse zu den Sirenen! Doch seine Männer waren gewarnt und gehorchten ihm nicht. So hörte Odysseus als einziger Mensch die Sirenen, ohne ins eigene Verderben zu stürzen.
Und was hat das mit der Schuldenbremese zu tun?
Mark Schieritz spricht in der Podcast Reihe „Politikteil“ zum Thema „Bomben statt Butter: Wer zahlt für unsere Sicherheit?“. Es geht um die Finanzierung von Waffenlieferung – und ob dafür an anderer Stelle gespart werden muss. Wenn es um den deutschen Finanzhaushalt geht, ist die Frage nach der Schuldenbremse nicht fern. Immer wieder taucht sie auf: Wollen wir sparen – oder doch lieber Schulden machen?
Schieritz bemüht sich um ein Bild, die Schuldenbremse zu rechtfertigen. Schulden, das sind die singenden Sirenen: Die Versprechungen und Hoffnungen sind groß, doch wer ihnen zu nah kommt, der geht unter. Die Schuldenbremse hingegen, das sind die Fesseln, mit denen sich Odysseus an den Mast gebunden hat und das Wachs, das sich die Seemänner in die Ohren gestopft haben. Es sind Selbstschutzmaßnahme, um den Verlockungen der Sirenen / Schulden nicht nachzugeben.
Schieritz treibt die Metapher auf die Spitze, als er dafür plädiert: Die Fesseln zu behalten, aber etwas zu lockern.
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