
Der Becher ist ein unscheinbares Frühlingssternbild. Aber er ist auch ein schreckliches Mahnbild. Vom Himmel herab soll es die Menschen an ihre Verbrechen erinnern – und daran, dass jedes Verbrechen eines Tages gesühnt werden wird.
Es lebte einst ein König names Demophon. Er war reich und mächtig, Herrscher der blühenden „Olivenstadt“ Elaios. Um seine Macht am Leben zu erhalten und sein Reich zu schützen, vertraute der König auf eine alte Weissagung der Götter. Er opferte jedes Jahr eine adlige Jungfrau.
Welches Mädchen das grausige Schicksal ereilte, bestimmte das Los. Die Namen aller adliger Mädchen wanderten in einen goldenen Becher. Einmal im Jahr zog der König einen Namen aus diesem Becher und das Mädchen, dessen Namen er zog, wurde geopfert.
Streng achtete der König darauf, dass die Namen aller adligen Mädchen im Becher waren. Bloß seine eigene Tochter nahm er von der Losung aus, zum großen Frust der übrigen Adligen. Schließlich begehrte ein reicher Kaufmann Namens Matusios auf. Am Tag vor der großen Losziehung schimpfte er gegen den König und klagte ihn an. Der König beschloss darauf, die Losung in diesem Jahr ausfallen zu lassen und verkündete stattdessen, Matusios Tochter zu opfern.
Matusios geriet darüber in rasende Wut – doch er war hilflos gegenüber der Macht des Königs. Am Tag der Opferung sah er mit an, wie seine Tochter getötet und den Göttern hingegeben wurde. Doch in der Nacht brach er in den Palast ein, raubte den goldenen Losbecher und verbrannte alle Namenszettel darin. Doch sein Rachebedürfnis war noch nicht gestillt. Blind vor Wut schlich Matusios in das Gemach der Königstochter. Er betrachtete die schlafende Jungfrau und dachte an seine eigene Tochter. Kurzentschlossen schnitt er der Königstochter die Kehle durch. Das Blut, das aus der klaffenden Wunde strömte, fing er mit dem Losbecher auf, den er noch immer fest umklammert hielt.
Am nächsten Morgen servierte Matusios den schrecklichen Trank dem König, als ein Zeichen seiner Versöhnung, versprach Matusios. Unwissentliche trank darauf der König das Blut seiner Tochter. Als sich der Geschmack in seinem Mund ausbreitete, hörte er plötzlich den Schrei eines Dieners: Man hatte den Leichnam entdeckt. Als dem König das Grauen bewusst wurde, war es bereits zu spät: Er hatte das Blut seiner Tochter heruntergeschluckt. Vom Donner gerührt ließ er den goldenen Becher scheppernd zu Boden fallen und starb augenblicklich an seinem Leid. Matusios hingegen wurde für seine Freveltat hingerichtet und der Becher als Mahnbild an den Himmel versetzt, wo er bis heute als Sternbild leuchtet.
Schreibe einen Kommentar