Der Rabe ist ein kleines, aber gut zu erkennendes Sternbild. Seine hellsten Sterne bilden ein Viereck, das am Himmel zwischen Becher und Wasserschlange zu finden ist. Er wurde zur Strafe an den Himmel verbannt. Warum? Weil Götter ihren Jähzorn nicht unter Kontrolle haben – und andere die Konsequenzen dafür tragen müssen. Aber der Reihe nach…

Leidenschaftliche Liebe

Apollon war ein schöner und feinfühliger Gott. Er stand in der Mythologie für das Licht, die Kunst und insbesondere die Musik. Wen wundert es, dass dieser Gott sein Herz schnell und leidenschaftlich verschenkte? Zum Beispiel an Koronis. Als er das junge Mädchen zum ersten Mal erblickte, war er sofort verloren und völlig verrückt vor Liebe. Apollon fackelte nicht lange, sondern nahm sich, was er wollte. So wurde Koronis die Geliebte des leidenschaftlichen Gottes.
Aber Apollons Liebe war egoistisch. Obwohl er Koronis abgöttisch verehrte, konnte er ihr nicht vertrauen. Ständig plagte ihn Eifersucht und Zweifel nagten an seinem Herz. Um sich davon zu befreien, beauftragte Apollon einen Raben, über Koronis zu wachen und zu berichten. So hoffte der Gott, könnte er sich der Treue seiner Geliebten versichern.

Untreue

Aber Koronis war nich treu. Schon lange bevor Apollon sie zur Geliebten genommen hatte, hatte sie ihr Herz einem anderen geschenkt.
Und die Liebe des Mädchens war stärker als die Furcht vor dem Gott. Wenn es Nacht wurde, schlich sie sich aus dem Palast und suchte ihre Herzensliebe auf. Geschützt von der Dunkelheit schloss sich das Paar in die Arme und fand Trost beieinander. Sie wussten wohl: Solange Koronis die Geliebte eines Gottes war, dürften sie niemals heiraten. Doch es war ihnen schon genug, sich für einen Moment in den Armen zu halten.

Verrat

Doch das Paar wurde unvorsichtig. Als sie sich zur gewohnten Nachtstunde trafen, achteten sie nicht auf den leuchtenden Vollmond, der über ihnen schien und alles in silbernes Licht tauchte. In seinem Schein machte der spitzfindige Rabe das Liebespaar ausfindig und sah, wie Koronis sich einem anderen hingab. Sofort flog der Rabe zu seinem Herrn, um davon zu petzen.
Als er mit krächzender Stimme verkündete, dass Koronis untreu war, erfasste Apollon die blinde Wut – und traf den Boten dieser schrecklichen Nachricht! Apollon verfluchte den Raben und färbte sein schimmernd-weißes Gefieder pechschwarz. Um den Vogel für immer los zu werden, verbannte er ihn an den Sternhimmel.

Rache

Anschließend suchte Apollon Trost bei seiner Zwillingsschwester Artemis. Aber anstatt ihren Bruder zu trösten, beschloss Artemis dem Mädchen eine Lektion zu erteilen: Kein Mensch sollte je einen Gott verschmähen!, brodelte Artemis. Mit einem treffsicheren Pfeil tötete sie Koronis. Erst als Apollon seine tote Geliebte sah, packte ihn die Reue. Er hielt den leblosen Leib umschlungen und verfluchte seine Eifersucht.
In seiner größten Not, überwältigt von seinen Gefühlen und seinem Schmerz, spürte Apollon plötzlich ein Regen. Überrascht blickte er auf die Sterbliche, die doch tot war. Aber in ihr wurde er dem Leben gewahr: Noch ungeboren, aber lebendig und unversehrt, war sein Sohn! Apollon schnitt den Bauch der Geliebten auf und nahm sein Kind heraus. Dies war Asklepios, der Gott der Heilkunst.