
Das Widder-Sternbild ist Teil des Tierkreises – das heißt, die Sonne wandert jedes Jahr einmal durch das Sternbild. Kinder, die zwischen März und April geboren werden, tragen das Sternzeichen Widder. Er gilt als stur und abenteuerlustig. Aber was ist die Geschichte des behornten Vierbeiners?
Am Anfang war es Liebe
Die Geschichte des Widders beginnt mit einem Liebespaar. Genauer gesagt: Mit König Athamas und der Wolkenfrau Nephele. Athamas war ein junger König, als er sich in Nephele verliebte. Sie war von den Göttern aus Wolken erschaffen, so schön und aufbrausend wie der Himmel selbst.
Nephele und Athamas heirateten, und Nephele gebar zwei Kinder. Doch nach einigen glücklichen Jahren wurde die Sehnsucht in Nephele immer stärker. Der Wind zerrte an ihr. Sie blickte stunden- und tagelang auf den Horizon und spürte ein Stechen in ihrer Brust. Es zog die Wolkenfrau fort.
Eines Tages, ihre Kinder waren noch klein und befanden sich in der Obhut der Amme, erklomm sie den höchsten Berg, der wolkenumhangen über das Land ragte. Hier stand sie, atmete frei und ließ sich schließlich von den Wolken forttragen. Nephele ließ Mann und Kinder zurück und entschied sich für ihre eigene grenzenlose Freiheit.
Die böse Stiefmutter
Athamas indes trauerte nicht lange über den Abflug seiner flatterhaften Frau, sondern heiratete die Prinzessin Ino. So wurde Ino Stiefmutter der zwei Kinder. Nach außen hin gab Ino sich liebevoll, in Wahrheit aber hasste sie den Jungen und das Mädchen abgrundtief. Als sie selbst schwanger wurde, fürchtete sie zudem um ihr eigenes Kind und dessen Stellung am Königshof.
Also ersann Ino einen böswilligen Plan: Sie vergiftete die Felder, so dass die Ernte verkam und Hunger das Land überfiel. Dann bestach sie das Orakel, einen Urteilsspruch zu geben: Schuld seien die beiden Kinder aus erster Ehe, sie seien verflucht. Das Orakel sagte: „Die Kinder müssen sterben, damit die Ernte wieder gut wird.“
Das Opfer
Athamas war kein schlechter Vater. Vielleicht liebte er seine Kinder sogar. Aber sein Königreich war ihm wichtiger und so befahl er, seinen Sohn zu opfern.
Phrixos, so hieß das Kind, war noch ein Knabe, keine zehn Jahre alt. Er wurde auf die Klippen geschleppt und an einen Altar gefesselt. Seine kleine Schwester, Helle, kauerte auf den Stufen des Altars und schaute mit angsterfüllten Augen zu ihrem Bruder.
Unter den Klippen rauschte das Meer, das Tosen der Wellen übertönte das leise Schluchzen von Helle. Ihr Bruder vergoss keine Tränen. Er blickte erstarrt auf den Horizont.
Wolken huschten über den Himmel, dazwischen brannte die griechische Sonne und schien dem Knaben ins blasse Gesichtchen. Plötzlich veränderte sich der Blick des Knaben: Phrixos kniff die Augen zusammen, starrte suchend in die Sonne. Es schien, als käme gleißendes Licht auf ihn zugeflogen: Aus den Wolken entschwebte ein goldener Widder. Sein Fell strahlte hell wie die Sonne selbst. Er trabte über die Wolken auf die Klippe zu.
Der Widder war ein Freund von Nephele, Wolkenfrau und Mutter, die es in die Freiheit gezogen hatte. Sie hatte ihre Kinder nicht vergessen und schickte ihnen den goldenen Widder, um sie zu retten.
Der Widder nahm Phrixos und Helle auf seinen Rücken und galoppierte über die Wolken hinfort in ein fremdes Land, wo das Geschwisterpaar sicher aufwachsen konnte.
Epilog

Später wurde der Widder selbst zum Opfer. Nachdem er Phrixos und Helle in Sicherheit gebracht hatte, schlachtete ein König ihn, häutete ihn und erlangte das sagenumwobene goldene Vlies. Aber das ist eine andere Geschichte.
Der Widder, abenteuerlustiger Freund der Wolkenfrau Nephele, wurde an den Himmel versetzt.
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