
Vergangene Woche war Weltfrauentag (08. März), und Equal Pay Day (07. März). Zwei Tage, die auf die nach wie vor bestehende Ungleichheit zwischen Mann und Frau hinweisen. Es ist wichtig, Sexismus und Diskriminierung zu benennen, nur so kann sich etwas verändern. Das wusste schon Euripides, als er vor über 2.000 Jahren seine Tragödie Medea schrieb.
Mehr als „die Böse“
Das Meisterwerk Medea ist nicht nur Sinnbild für eine zutiefst gekränkte Frau, die aus Rache an ihrem Mann die eigenen Kinder ermordet, sondern auch eine Anklageschrift an die diskriminierenden Griechen. Euripides hat ein Werk geschaffen, in dem Medea nicht als „die Böse“ verschrien werden kann. Die Figur ist zu komplex, als dass wir sie verteufeln könnten. Euripides schildert den Sexismus und Rassismus, dem sie ausgesetzt ist, und klagt damit indirekt auch die griechische Kultur an.
Liebesgeschichte
Die Tragödie Euripides‘ beginnt mitten in Medeas traurigem Leben. Angefangen hat das Drama aber viel früher: Medea ist die Enkelin des Sonnengottes Helios, sie ist unsterblich und eine Zauberkünstlerin. Sie lebt glücklich mit ihrer Familie an einem Königshof fernab von Griechenland.

Eines Tages kommt Jason, ein gutaussehender junger Mann, zu Besuch und umgarnt die göttliche Königstochter. Gemeinsam stehlen Jason und Medea das goldene Vlies und fliehen außer Landes. Sie heiraten und bekommen zwei Söhne. Das Schicksal bringt die junge Familie nach Korinth, ein fremder Ort für Medea. Weder spricht sie die Sprache, noch kennt sie die Kultur. Ihr exotisches Aussehen verrät sie schnell: Sie ist eine Fremde.
Ein Flüchtling
Hier setzt Euripides Tragödie an. Wie vielen Geflüchteten weltweit heute, ergeht es damals auch Medea: Sie ist unerwünscht am Königshof. Kreon, der König von Korinth, möchte sie und ihre Kinder verbannen. Aber wohin soll die junge Frau gehen? Sie kann nicht nach Hause zurückkehren, sie kann nicht im fremden Korinth bleiben. Sie ist heimat- und mittellos:
Ich bin verlassen, ohne Heimat, bin verhöhnt
Vom Manne, der aus fremdem Land mich weggeraubt,
Hab weder Mutter weder Bruder weder Freund,
Um wegzuziehen, fort von diesem Ungemach!
Euripides, Medea, 639
Eine Frau
Euripides stellt nicht nur die Einsamkeit Medeas in den Vordergrund, sondern auch ihr Schicksal als Frau: Anders als Jason, genießt sie keine Freiheiten. Sie hat kein eigenes Geld, kein Recht auf ihre eigenen Kinder, nicht einmal ein Recht auf ihren eigenen Körper. Euripides legt Medea eine Anklage in den Mund, die an ganz Griechenland gerichtet ist – und bis heute Geltung hat:
Von allem, was auf Erden Seel und Leben hat,
Die allerärmsten Wesen sind wir Frauen doch.
Wettstreit des Geldes erstlich muß den Gatten uns
Erkaufen, dem als Herren unser Leib sodann
Gehört; und dies ist übler als das Übel selbst!
Euripides, Medea, 638
Medeas Anklage gipfelt darin, dass sie an den Grundfesten der Diskriminierung rüttelt: Der Mann auf dem Schlachtfeld, die Frau zu Hause am Herd? Die Götter-Enkelin würde gerne Rollen tauschen:
Sie sprechen wohl, wir leben frei von Fährlichkeit
Im Zimmer, während sie bestehn den Schlachtenkampf –
Und denken töricht: wollt ich dreimal lieber doch
In Schlachten stehen, als gebären einmal nur! –
Euripides, Medea, 639
Eine Nicht-Griechin
Zum tragischen Ende – Jasons Geliebte und Kreon sind vergiftet, die Kinder erschlagen –werfen sich Medea und Jason wüste Beleidigungen an den Kopf. Jason greift noch einmal tief in die Rassismus-Schublade:
Dies hätte nie ein griechisches Weib zu tun vermocht!
Und ihnen hab ich vorgezogen deine Hand,
Euripides, Medea, 669
Medea, die Wilde, die Fremde, die Nicht-Griechin!
Quellen
Euripides, Medea. Abgerufen am 12.03.2023 von http://www.zeno.org/Literatur/M/Euripides/Trag%C3%B6dien/Medea
2021, 09. Dezember. Medea – von der Zauberheldin zur Kindermörderin. Einfach Antike. Abgerufen am 12.03.2023 von https://einfach-antike.de/podcast/medea-von-der-zauberheldin-zur-kindermoerderin/
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