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DER ROTEN KAROTTE

Jeden Sonntag Abend findest Du hier einen neuen Beitrag.
Immer aktuell, immer relevant.
Die Rote Karotte ist ein Nachrichten-Blog – aber zugleich auch viel mehr:

Gegenwart wird mit griechischer Mythologie verknüpft.
Das ist manchmal absurd, manchmal ganz nah an unserem Leben und immer sagenhaft!
Der Blick zurück hilft dabei, die Gegenwart aus einer anderen Perspektive zu sehen und zu verstehen.

Beim Lesen erfährst Du spannende Hintergründe über das aktuelle Weltgeschehen und lernst ganz nebenbei ziemlich viel über die griechische Mythologie.
Ich wünsche Dir viel Spaß beim Stöbern, Lesen und Lernen!

Abtreibung in der Antike

In Deutschland wird Paragraph 219a gestrichen und damit das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche. Zeitgleich streich das oberste Gericht in den USA das bundeweite Recht auf Abtreibung. Und was haben die antiken Griechen dazu gesagt?!

Ist Abtreibung Kindesmord?

Konservative Kräfte spitzen die Debatte wie folgt zu: Abtreibung ist Kindesmord und Mord ist immer schlecht – an Kindern ganz besonders. Es stellt sich aber die Frage: Ist der ungeborene Fötus, der nur in der Gebärmutter der Frau überlebensfähig ist, bereits ein Kind? Bereits ein schützenswertes Leben?

Bei den antiken Griechen lautet die Frage übersetzt: „Hat der Fötus eine Seele?“ und bei der Antwort waren sich die Philosophen einig: „Nein!“ Konsequent hieß das: Abtreibung ist in Ordnung. Platon beispielsweise, dessen Mutter Hebamme war, plädierte für Abtreibungen und ermunterte seine Mutter auch, diese durchzuführen.

Abtreibung im antiken Griechenland

Oft wird angeführt, dass im hippokratischen Eid, den Ärzte auch heute noch zum Schutz ihrer Patienten schwören, Abtreibung untersagt wurde. Hippokrates schwört nämlich: „niemals einer Frau ein fruchtabtreibendes Zäpfchen zu geben“. Damit war aber ein bestimmter Wirkstoff gemeint. Im Eid ist keine Rede von einem generellen Abtreibungsverbot.

Es sprach nichts Moralisches gegen eine Abtreibung, aber es gab ein paar Komplikationen. Die meisten Schwangerschaften wurden erst zwischen dem dritten und siebten Monat festgestellt. Dann war ein chirurgischer Eingriff notwendig, um den Fötus zu entfernen und dies war gefährlich für die austragende Frau.

Heikel war eine Abtreibung auch, wenn es um die Erbschaftsfolge ging. Wenn es bisher keinen männlichen Nachkommen gab, war der Frau die Abtreibung untersagt – sie hatte ihre Pflicht der Reproduktion noch nicht erfüllt.

Abtreibung in der Mythologie

In den griechischen Mythen sieht man sowohl Abtreibung als auch Kindsmord eher locker:

  • Der eigene Vater wollte Baby-Ödipus umbringen. Der Zufall rettet dem Baby das Leben, Ödipus wuchs fernab des mörderischen Vaters auf. Jahrzehnte später tötet er seinen Vater und heiratet seine Mutter – unwissentlich. Der Ödipus-Komplex ist geboren.
  • Agamemnon opfert seine älteste Tochter Iphigenie, um den trojanischen Krieg zu gewinnen. Als er siegreich zurückkehrt, rächt sich seine Ehefrau für den Tod der Tochter und erdolcht ihn in der Badewanne.
  • Medea ermordet ihre eigenen Kinder, als ihr Ehemann sie verlassen will. Es ist die ultimative Rache und einer der bekanntesten Stoffe der Weltliteratur. Heute wird in feministischen Kreisen diskutiert, ob Medea wirklich ihre Kinder ermordete, oder tatsächlich nur eine Abtreibung vollzog.

Ob Kindesmord oder Abtreibung, einerlei, verdammenswert ist in der antiken Mythologie beides nicht. Aber es liefert guten Stoff für Dramen, wie wir auch heute tagtäglich erleben.


Quellen

Abtreibung in der Antike. Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch. Abgerufen am 26.06.2022 von https://muvs.org/de/themen/abbruch/abtreibung-in-der-antike/

Matthias Laarmann. Abtreibung in der Antike. Aspekte einer Thematisierung im altsprachlichen Unterricht. Abgerufen am 26.06.2022 von https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/fc/article/download/38066/31730

Wenwen Qin. Mythos und Gender. Medea-Adaptionen in der deutschen Gegenwartsliteratur. Abgerufen am 26.06.2022 von https://publikationen.uni-tuebingen.de/xmlui/bitstream/handle/10900/76600/Dissertation%20%20-%20Wenwen%20Qin.pdf?sequence=1&isAllowed=y

2 Kommentare

  1. Puco

    Hallo Karotte,

    Spannend und aktuell wie immer. Nur eine Frage zu der Aussage: „niemals einer Frau ein fruchtabtreibendes Zäpfchen zu geben“.
    Woher weiß man, dass damit nur ein bestimmter Wirkstoff gemeint ist? Und warum war nur dieser Wirkstoff nicht akzeptabel?

  2. Huschel

    Hallo liebe Karotte, es ist so erfrischend und interessant die heutige Welt aus Sicht der alten Griechen zu betrachten, aber die Formulierung “ Ob Abtreibung oder Kindesmord- einerlei….“
    erscheint mir doch zu vereinfachend und gleichstellend. Ein Mord am Kind ist etwas anderes,
    als die Abtreibung eines Fötus und wird auch in der griechischen Mythologie anders geahndet, bzw. bestraft- siehe Agamemnon.

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