
Diese Woche hat der Bundesrat getagt und wegweisende Veränderungen beschlossen – Stichwort Sondervermögen Bundeswehr. Aber auch ein kleines Gesetz wurde eingebracht: Die „Frühen Hilfen“ sollen mehr Geld bekommen. Ein guter Moment für die Rote Karotte, um zu beleuchten, was „Frühe Hilfen“ sind und wie beschwerlich der Weg zum beschlossenen Gesetz ist.
Kein Kinderspiel
Kinder kriegen und Kinder haben ist kein Kinderspiel. Es gibt viele Familien, die der Zuwachs vor große Herausforderungen stellt. Zum Beispiel,
- wenn es sich um eine Risikoschwangerschaft handelt (betrifft ca. 30 Prozent aller Schwangerschaften in Deutschland)
- wenn die Mutter eine postnatale Depression bekommt (betrifft ca. 10-15 Prozent aller Frauen in Deutschland),
- wenn ein Elternteil suchtbelastet ist (betrifft ca. 3 Millionen Kinder)
- wenn ein Elternteil traumatische Fluchterfahrungen gemacht hat (aus der Ukraine beispielsweise sind aktuell rund 800.000 Menschen nach Deutschland geflüchtet, die meisten von ihnen sind Frauen und Kinder)
- oder auch einfach „nur“ wegen Corona (betrifft uns alle)
Familien brauchen psychosoziale Unterstützung. „Frühe Hilfen“ bietet diese Unterstützung für Schwangere und Eltern von Kindern bis zu 3 Jahren: Sie geben einen niedrigschwelligen Zugang, wo Schwangere und Eltern Rat finden, Unterstützung und ein offenes Ohr. Das ist präventiver Kinderschutz.

Wo kommt das Geld her?
Vor zehn Jahren trat das Bundeskinderschutzgesetz in Kraft. Es bildet die gesetzliche Grundlage für die „Frühen Hilfen“. Obwohl Kindererziehung ausdrücklich Privatsache ist, verpflichtet sich der Staat gesetzlich dazu, den Eltern dabei Hilfe anzubieten. Niemand muss die „Frühen Hilfe“ in Anspruch nehmen, es ist ein kostenloses Angebot für gestresste Familien.
Finanziert werden die „Frühen Hilfen“ von einer Bundesstiftung, die 2014 gegründet wurde und ein Jahresbudget von 51 Millionen Euro hat. Dieses Budget wurde in den letzten acht Jahren nicht erhöht. Im eingebrachten Gesetzesentwurf wird nun gefordert, das Geld auf 96 Millionen Euro jährlich aufzustocken.
Die Aufstockung ist aus mehreren Gründen dringend notwendig:
- Seit acht Jahren wurde das Budget nicht erhöht, obwohl Sach- und Personalkosten zeitgleich gestiegen sind.
- Auch die Anzahl der Kinder hat sich erhöht, im Vergleich zu 2012 leben heute ca. 500.000 mehr Kleinkinder in Deutschland, das sind rund 18 Prozent mehr als vor zehn Jahren.
- Und schließlich war und ist die Corona-Zeit ein enormer Stresstest für Familien.
Schwere Geburt
Der Gesetzesentwurf ging schon einmal durch den Bundesrat. Aber durch die Wahlen 2021 und die Koalitionsverhandlungen wurde das Gesetz verschleppt. Nun muss es von neuem auf den Weg gebracht werden. Und dieser Weg ist lang:
Am 18. Mai 2022 stellen vier Länder den Gesetzesantrag. Einen knappen Monat später, am 10.06.2022 wird der Antrag im Bundesrat diskutiert und ein Gesetzesentwurf beschlossen.
Dieses 17-Seitige Papier geht jetzt als Entwurf an die Bundesregierung. Die Koalition hat 6 Wochen Zeit, um Stellung zu beziehen.
Dann werden jene 17-Seiten und die entsprechenden Stellungnahme dem Bundestag zur Entscheidung vorgelegt. Der Text wird drei Mal gelesen: Nach dem ersten Mal wird der Text an einen Ausschuss überwiesen und in Kleingruppen diskutiert. Nach dem zweiten Mal werden Änderungsanträge eingebracht. Und nach der dritten Lesung schließlich wird im Bundestag abgestimmt, ob das Gesetz angenommen wird.
Wenn der Bundestag sein „go!“ gibt, geht das Papier zurück an den Bundesrat. Erneut stimmen die Ländervertreter ab. Wenn auch sie einverstanden sind, muss nur noch der Präsident unterschreiben, und – Schwupps! – haben wir ein neues Gesetz.

Im Gesetzesentwurf ist geplant, dass Budget bereits 2023 zu erhöhen – der Bedarf ist dringend. Aber ob es bis dahin ein Gesetz geben wird…?
Quellen
2022, 18. Mai. Gesetzesantrag der Länder Thüringen, Reinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt. Drucksache 217/22. Abgerufen am 12.06.2022 von https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2022/0201-0300/217-22.pdf;jsessionid=B6620AB066B0445695606CB89E414339.1_cid365?__blob=publicationFile&v=1
2022, 10. Juni. Gesetzentwurf des Bundesrates. Drucksache 217/22. Abgerufen am 12.06.2022 von https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2022/0201-0300/217-22(B).pdf?__blob=publicationFile&v=1
2016, 19. Mai. Frühe Hilfen. Diakonie. Abgerufen am 12.06.2022 von https://www.diakonie.de/wissen-kompakt/fruehe-hilfen
Bundesstiftung Frühe Hilfen. Nationales Zentrum Frühe Hilfen. Abgerufen am 12.06.2022 von https://www.fruehehilfen.de/grundlagen-und-fachthemen/grundlagen-der-fruehen-hilfen/bundesstiftung-fruehe-hilfen/
Gut zuammengefasst und „auf den Punkt gebracht“. Danke!
…es ist schon unglaublich, mit welcher Geschwindigkeit solche Prozesse durch die Instanzen laufen. Ich bin gespannt, wenn hier eine zeitgemäße Aufstockung der Hilfen realisiert wird.
feine Bilder für einen interessanten Beitrag.