Achilles ist der größte Held der antiken Griechen – aber im Krieg gegenTroja hängt er den Helm an den Nagel. Warum? Und was sagt uns das über die deutsche Haltung, keine schweren Waffen in die Ukraine zu liefern?

Achilles – der größte Held

Achilles ist der größte griechische Held – keiner kann ihn an physischer Kraft, Geschick oder Waffenkunst übertreffen. Er ist nahezu unverwundbar – bis auf eine empfindliche Stelle an seiner Ferse. Also kein Wunder, dass ihm bereits als Kind vorausgesagt wurde, sein Eingreifen sei kriegsentscheidend im Kampf gegen Troja.

Aber Achilles steht anderen Helden wie Odysseus in einem nach: Sein Gemüt ist aufbrausend, stur und zornig.

Der Streit mit Agamemnon

10 Jahre tobt der Krieg zwischen Trojanern und Griechen bereits, als sich ein Streit zwischen Heerführer Agamemnon und Achilles anbahnt: Agamemnon, der die Griechen eigentlich in den Krieg gegen Troja geführt hatte, um seine geraubte Frau Helena zurückzuholen (oder zumindest seinen gekränkten Stolz zu rächen) erhebt Anspruch auf die Lieblinkssklavin von Achilles, die wunderschöne Briseis.

Achilles weigert sich zunächst, muss aber schließlich nachgeben. Voller Wut verlässt er das Lager und hängt den Helm an den Nagel.

Auch die schmeichelnden Worte von Odysseus bringen den streikenden Helden nicht dazu, zurück an die Seite seiner Freunde zu kehren und für die Werte zu kämpfen, die eigentlich auch die seinen sind. In der Ilias ist Achilles kein schmollendes Kind, das in seiner Ehre verletzt wurde. Er empfängt Odysseus freudig, hört ihn an und argumentiert geschickt. Aber es bleibt dabei: Obwohl sie für die gleiche Sache kämpfen, kämpft Achilles nicht mit.

Ein Freund stirbt

Die Griechen geraten währenddessen immer mehr in Bedrängnis. Auch Patroklos, der beste Freund von Achilles, kann den Helden nicht dazu bewegen, zu helfen. Also ergreift Patroklos selbst die Waffen des Freundes und zieht an seiner statt in den Kampf. Er stirbt.

Als Achilles erfährt, dass sein bester Freund, sein ein und alles seit Kindheitstagen, getötet wurde, gerät er in heftigste Trauer, Verzweiflung und aufbrausende Wut: Er zieht in die Schlacht und übt blutige Rache für Patroklos. Sein spätes Eingreifen rettet die Griechen – aber es bringt den Freund nicht zurück.

Sind wir Achilles?

Wie Achilles und Agamemnon stehen auch Deutschland und die Ukraine auf der gleichen Seite. SPD-Chef Lars Klingbeil sagte letztens: „Die Menschen in der Ukraine sind Europäerinnen und Europäer. Sie kämpfen für unsere europäischen Werte und mit großer Entschlossenheit gegen Putins brutale Truppen“.

Trotzdem weigert sich Achilles, in die Schlacht zu ziehen und Deutschland weigert sich nach wie vor, schwere Waffen an die Ukraine zu liefern.

Achilles begründet seine Verweigerungshaltung mit dem Unrecht, dass ihm zu Teil wurde. Die deutsche Politik argumentiert damit, dass eine direkte Waffenlieferung den Konflikt ausweiten könnte – aber steckt dahinter vielleicht auch das verkappte Verhältnis zwischen SPD und Russland? Sind auch hier, wie bei Achilles, mehr als nur rationale Argumente am Werk? Was braucht es, um den eigenen Stolz und die eigenen Ängste zu überwinden?

Ein hinkender Vergleich

Achilles greift schließlich doch zu den Waffen – als sein bester Freund stirbt. Was ist der deutsche Patroklos – der Punkt, an dem sich Deutschland nicht mehr raushalten kann? Die rote Linie, die uns so sehr weh tut, dass wir nicht mehr anders können als die Zurückhaltung abzulegen?

Und sollten wir wirklich so lange warten? Wenn Achilles früher eingegriffen hätte, dann wäre sein bester Freund vielleicht nicht gestorben.

Der Vergleich weist viele Lücken auf: Achilles ist in seiner Ehre verletzt, Deutschland wägt ab. Achilles ist kriegsentscheidend, Deutschlands Waffenlieferungen nur hilfreich. Achilles ist ein einzelner Mann, Deutschland ein demokratisch geführtes Land, das viel Abwägung und Streit aushalten muss.

Nichtsdestotrotz sei die Frage erlaubt: Warten wir gerade darauf, dass unser Patroklos stirbt? Das wird erst die Zukunft und der weitere Kriegsverlauf zeigen.


Quellen

Ilias, Homer.

2022, 12. April. Schwere Waffen für die Ukraine? Tagesschau. Abgerufen am 21.04.2022 von https://www.tagesschau.de/inland/waffenlieferungen-ukraine-111.html

2022, 20. April. „Große Enttäuschung und Bitterkeit“. Tagesschau. Abgerufen am 21.04.2022 von https://www.tagesschau.de/inland/scholz-ukraine-waffenlieferung-reaktionen-101.html

2022, 20. April. Warum Deutschland bei schweren Waffen zögert. Tagesschau. Abgerufen am 21.04.2022 von https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/waffenlieferung-ukraine-103.html

Der Trojanische Krieg. Das Mythentor. Abgerufen am 21.04.2022 von http://www.mythentor.de/griechen/troja7.htm

Gerald Wagner. 2019, 09. Januar. Drama, Baby! FAZ. Abgerufen am 21.04.2022 von https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/was-uns-der-streit-von-achilles-und-odysseus-heute-sagen-koennte-15975117.html