Eine Petition gegen digitale Ausgrenzung hat in Spanien bereits mehr als 400.000 Unterschriften gesammelt. Warum der „Analphabetismus des 21. Jahrhunderts“ ein soziales Problem ist, über das wir alle nachdenken müssen:

Digitalisierung: Nicht jeder Fährt mit

Wer Nachweisen will, dass er frisch getestet, genesen oder geimpft ist, braucht nur einen QR-Code auf seinem Handy – keinen Zettel, keine Unterlagen. Einfach nur und immer wieder das Handy.

Die Digitalisierung ist mit voller Wucht in unserem Alltag angekommen. Und obwohl das für viele Menschen eine immense Erleichterung bedeutet, ist es für andere ein abgefahrener Zug: Sie bleiben am Gleis stehen und schauen dem dahinrauschenden High-Speed-Zug hinterher. Es gibt viele Menschen, die sich bewusst gegen bestimmte technische Gadgets entscheiden – jung und alt. Aber in diesem Artikel geht es um Menschen, die in ihrem hohen Alter schlichtweg keine Kraft oder keine Lust mehr haben, sich an eine neue Welt zu gewöhnen – und darauf bestehen, dass ihre alte Welt weiterhin funktioniert.

Petition gegen Ausgrenzung

In Spanien ist eine Petition gestartet, die gegen die digitale Ausgrenzung von alten Menschen protestiert. Bereits 400.000 Menschen haben unterschrieben. Ins Leben gerufen wurde die Aktion von dem 80-Jährigen Carlos San Juan de Laorden. Der Valencianer fordert darin, dass Bankfilialen eine persönliche Beratung anbieten müssen.

San Juan möchte sein Geld nicht am Automaten abheben – er möchte die Möglichkeit und das Recht haben, zu einem Menschen zu gehen und bei ihm das Geld abzuheben. Die verwaisten Bankfilialen sind ein Beispiel von sehr, sehr vielen Beispielen, bei denen die Digitalisierung alles verändert hat. Ist es legitim zu verlangen, dass das Alte erhalten bleibt?

Analphabetismus des 21. Jahrhunderts

Die digitale Kluft führt zu sozialer Ausgrenzung, das zeigen aktuelle Studien von Caritas und der Foessa-Stiftung. Sie beschreiben es als eine „Art Analphabetismus des 21. Jahrhunderts“. Wie gesagt: Die einen sitzen im Zug und düsen davon, die anderen bleiben am Gleis stehen. San Juan war Urologe und Chirurg und sagt heute von sich selbst: „Ich bin älter, aber kein Idiot“.

Der 80-Jährige ist nicht der Einzige, der sich abgehängt fühlt: Laut der Caritas-Studie haben 35 Prozent der spanischen Bürger das Gefühl, in einem digitalen Blackout zu leben – das heißt sie haben das Gefühl, nicht die richtigen Instrumente (Handy / Tablet / Laptop etc.) und nicht die notwendigen Fähigkeiten zu haben. Der Chirurg hat mit seiner Petition innerhalb kürzester Zeit über 400.000 Unterschriften gesammelt.

Zum Nachdenken anregen

Digitalisierung ist toll – aber sie darf niemanden ausgrenzen. Wer sich nicht in der digitalen Welt zurecht finden kann oder will, sollte einen Impfnachweis vorzeigen und Geld abheben können.

Die Petition von San Juan wird die Banken nicht zum Umdenken bewegen – durch die Digitalisierung der Filialen sparen Banken Personalkosten. Aber vielleicht regt die Petition andere zum Nachdenken an und führt uns allen vor Augen: Digitalisierung eröffnet eine Menge neue Möglichkeiten – aber nicht für alle.


Quellen

2022, 26. Januar. Spanien: Aufschrei gegen digitale Ausgrenzung. Abgerufen am 30.01.2022 von https://www.eurotopics.net/de/275198/spanien-aufschrei-gegen-digitale-ausgrenzung

Irene Lozano. 2022, 24. Januar. A mi madre le gusta ir al banco. ElDiario. Abgerufen am 30.01.2022 von https://www.eldiario.es/opinion/zona-critica/madre-le-gusta-banco_129_8683667.html

Victor Sainz. 2022, 23. Januar. Soy mayor, pero no idiota”. El Pais. Abgerufen am 30.01.2022 von https://elpais.com/opinion/2022-01-23/soy-mayor-pero-no-idiota.html