Im Februar 2020 stellt die Bundesrepublik die Entwicklungshilfe in Myanmar ein. Ein Jahr später putscht das Militär. Hat die neue Ampel-Koalition ein Konzept, um dem Vielvölkerstaat aus der existenziellen Krise zu helfen?

Myanmar ist raus

Im Februar 2020 beschließt der damalige Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU), die Entwicklungshilfe in Myanmar einzustellen.

Es ist ein Entschluss aus dem Affekt heraus: Müller besuchte ein Flüchtlingscamp in Bangladesch und war schockiert von den Zuständen, unter denen die 720.000 geflüchteten Rohingya lebten. Sie waren aus Myanmar geflohen, weil die muslimische Minderheit im Vielvölkerstaat abgeschlachtet wurde. Die Vereinten Nationen sprechen von einem „anhaltenden Völkermord“.

Müller beschreibt die Situation in dem Flüchtlingslager aufgewühlt: „Das lassen wir einfach so geschehen. Wir lassen sie in der Kloake hocken.“

Der Bundesentwicklungsminister beschließt anschließend, das nicht mehr einfach so geschehen zu lassen: Er stellt die Entwicklungshilfe in Myanmar ein. Die Botschaft dahinter: Keine Entwicklungshilfe für korrupte Regime, keine Entwicklungshilfe für Regierungen, die gegen die Menschenrechte verstoßen.

Reform von Müller

In einem rasanten Tempo reformiert Müller die Entwicklungshilfe. Er will weg von dem Gießkannenprinzip: „Wir können nicht überall alles machen!“. Der Etat von 10,8 Milliarden Euro soll gezielter eingesetzt werden. Es wird eine neue Formel ausgerufen: Es gilt die 4-K-Regel:

  1. Förderung konzentriert sich auf bestimmte Staaten,
  2. Förderungen ist an bestimmte Bedingungen konditioniert,
  3. Gefördert werden nur Staaten, die auch kooperieren.
  4. Und schließlich: Die Fördermaßnahmen sollen besser kontrolliert werden.

Die Zahl der unterstützten Länder wird von 85 auf 61 gekürzt. Eine Maßnahme, die auch bei der SPD Unterstützung findet: „Wir wollen mit den Menschen zusammenarbeiten, aber nicht mit korrupten Regierungen.“ Sagt SPD-Obmann Sascha Rabe im Entwicklungsausschuss.

Das Für und Wider

Das Streichen der Entwicklungshilfe soll Myanmar unter Druck setzen. Die Regierung soll Maßnahmen gegen die Flüchtlingskrise ergreifen. Sie soll den Völkermord an den Rohingya einstellen. In der Tat, Sanktionen können Druck auf ein Land ausüben und Veränderungen bewirken.

Allerdings ist Myanmar auf Entwicklungshilfe angewiesen. 2012 kam erstmals eine gewählte Regierung an die Macht. Als Müller 2020 entscheidet, die Fördergelder zu streichen, ist die Demokratie in dem Vielvölkerstaat noch ausgesprochen instabil. Renate Künast (Grünen) fürchtet: „Am Ende trifft es die Falschen.“ Entwicklungshilfe hilft den Menschen, den Bauern und Lehrern vor Ort. Wenn sie eingestellt wird, geht keine korrupte Regierung in die Knie, aber den Menschen in dem Land geht es schlechter.

Der Putsch

Ein Jahr später putscht das Militär in Myanmar. Die demokratischen Wahlen werden für nichtig erklärt und das Militärregime ergreift die Macht. Die de Facto Regierungscheffin Aung San Suu Kyi wird unter Hausarrest gestellt – der 76-Jährigen drohen bis zu 160 Jahre Haft.

Als Reaktion auf den Militärputsch stellt auch die EU ihre Entwicklungshilfe in dem Vielvölkerstaat ein. Es entfallen Fördergelder von mehreren hunderten Millionen Euro im Jahr. Die Bevölkerung ist auf sich gestellt, die Demonstranten werden blutig niedergeschlagen.

Was plant die Ampel?

Mit der Ampel ist auch eine neue Entwicklungsministerin in die Regierung gekommen: Svenja Schulze. Die SPD-Politikerin stellt bisher kein neues Konzept in Aussicht. Sicher ist, dass sie das Militärregime in Myanmar nicht unterstützen möchte – das Land bleibt also vorerst auf sich allein gestellt.

Insgesamt scheint sich mit der Ampel wenig zu tun in Sachen Entwicklungshilfe. „Wir hätten uns gewünscht, dass die Koalitionäre etwas mehr Fortschritt gewagt hätten“, sagt beispielsweise Mathias Mogge, Generalsekretär von der Welthungerhilfe. Peter Mucke, Geschäftsführer vom Bündnis Entwicklung hilft sagt: „Die Ampel-Koalition hat Wandel versprochen. Wir erwarten deutlich mehr Anstrengung.“


Quellen

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Peter Hille. 2020, 07. Mai. Entwicklungshilfe: Weg von der Gießkanne. Deutsche Welle. Abgerufen am 23.01.2022 von https://www.dw.com/de/entwicklungshilfe-weg-von-der-gie%C3%9Fkanne/a-53350541

2021, 04. März. EU legt Entwicklungshilfe für Myanmar auf Eis. Reuters. Abgerufen am 23.01.2022 von https://www.reuters.com/article/myanmar-eu-idDEKCN2AW1IY

2021, 05. Oktober. Deutschland und Myanmar: Bilaterale Beziehungen. Auswärtiges Amt. Abgerufen am 23.01.2022 von https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/myanmar-node/bilateral/212106

Verena Hölzl. 2020, 27. Februar. Hilfe für Myanmar ausgesetzt. Taz. Abgerufen am 23.01.2022 von https://taz.de/Entwicklungszusammenarbeit/!5667738/

Marina Kormbaki. 2020, 05. Mai. Entwicklungshilfe-Minister Müller bietet Geld gegen Reformen. RND. Abgerufen am 23.01.2022 von https://www.rnd.de/politik/entwicklungshilfe-minister-muller-bietet-geld-gegen-reformen-AB2ZM6C3LVB5VLM2SJCSGKFYBQ.html

2021, 16. November. Entwicklungspolitik stärken statt abschaffen. Welt Hunger Hilfe. Abgerufen am 23.01.2022 von https://www.welthungerhilfe.de/presse/pressemitteilungen/2021/stellungsnahme-zukunft-des-bmz/

Mathias Mogge. 2021, Dezember. Ampel-Koalition: Noch mehr Fortschritt wagen! Welt Hunger Hilfe. Abgerufen am 23.01.2022 von https://www.welthungerhilfe.de/welternaehrung/rubriken/entwicklungspolitik-agenda-2030/ampel-koalition-noch-mehr-fortschritt-wagen/